Brandenburger Vorstadt. Potsdam bekommt einen beinahe verlorenen gegangenen Ort zurück. Zunächst aber verliert die Ruine des einstigen Ausflugsrestaurants „Charlottenhof“ am Süd-Eingang zum Schlosspark Sanssouci Decken und Wände: Im Sommer 2023 soll die Hülle des 1971 eröffneten Raums bis auf das Stahlgerüst komplett abgetragen werden.
Der Saal mit seiner ohne Stützpfeiler freitragenden Deckenkonstruktion ist die Attraktion des Baus. Gehalten wird das Dach über der mehr als 300 Quadratmeter großen Fläche von sogenannten Pylonen, vier außerhalb stehenden Stahlmasten, in die es mit Stahlseilen eingehängt ist.
„Die Pylonen werden saniert. Die Seile werden wahrscheinlich komplett ausgetauscht“, sagt der Architekt Stephan Heinlein, bis zum Sommer Vorsitzender des Stadtteilnetzwerks Potsdam-West und seit kurzem Mitglied eines Beirats, der die Sanierung begleiten soll. Der Netzwerk-Verein ist potenzieller Betreiber des geplanten Nachbarschafts- und Begegnungszentrums im „Lottenhof“, wie der Treff seit einem Namenswettbewerb im Sommer 2019 genannt wird.
Ein Gutachten im Auftrag der Schlösserstiftung, Eigentümerin der Immobilie, war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Seile „komplett zu ersetzen“ seien: „Sie sind nicht mehr ausreichend tragfähig.“ Laut Heinlein war „Gefahr im Verzuge“, die Trossen drohten zu reißen, das Dach einzustürzen. Die Stiftung reagierte rasch und ließ zum Jahresanfang eine Stützkonstruktion in den Saal einbauen, der zuletzt in den 1990er Jahren von der Discothek „Charly“ bespielt wurde und seither abgesperrt ist.
Bis Ende 2024 soll der Saalbau mit Panorama-Verglasung auf drei Seiten so neugestaltet sein, wie ihn ältere Potsdamer noch aus den 1970er und 1980er Jahren kennen: „Es soll so wiederhergestellt werden, wie es einmal war“, sagt Paula Breithaupt, Koordinatorin für
Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit im Stadtteilnetzwerk. „Der Fokus beim Umbau liegt auf dem Saal, der wieder so aussehen soll, wie er ursprünglich war“, sagt Achitekt Heinlein.
Umgebaut werden soll der Gebäuderiegel auf der Parkseite, in dem zuletzt bis 2010 eine Trattoria wirtschaftete. Ein Teil dieses Baus wird aktuell als Aufenthalts- und Versammlungsraum genutzt, ein Kickertisch steht dort, an den Wänden hängt eine Fotoausstellung. Mit 200 Quadratmetern soll der größe Teil des Westflügels künftig vom Stadtteilnetzwerk genutzt und bespielt werden. Nach dem aktuellen Raumkonzept soll in einem weiteren Gebäudeteil auch wieder Gastronomie angeboten werden.
Verfügbar sind noch knapp 190 Quadratmeter im Ostflügel, in denen nach früheren Plänen eine Kinderbetreuung eingerichtet werden sollte. Das Netzwerk sei für Ideen offen, sagt Paula Breithaupt. Der große Saal selbst soll als Tagungs- und Veranstaltungsort genutzt werden.
Bauherrin ist die Stadt, der das Grundstück über einen Erbpachtvertrag mit 60 Jahren Laufzeit von der Stiftung übertragen werden soll. Der Vertrag sei „schlussverhandelt“, sagt Stiftungssprecher Ulrich Sachse auf MAZ-Anfrage, die Gremien der Schlösserstiftung hätten dem Vertrag zugestimmt, die Bestätigung durch die Stadtverordneten stünde noch aus. Laut Rathaussprecherin Juliane Güldner ist die Beschlussvorlage „bereits vorbereitet und ist aktuell in der verwaltungsinternen Abstimmung“.
Auch personell wird aufgestockt. Noch im September soll laut Breithaupt die Stelle einer Koordinatorin ausgeschrieben werden, die den Bau auf seiten des Stadtteilnetzwerks begleitet. Das Rathaus wird laut Sprecherin Güldner im Oktober das Projektmanagement ausschreiben, das im Auftrag die Stadt die Bauleitung übernehmen soll.
Die Vorbereitungen zur Rettung des Lottenhofs als „architektonisches Kleinod der Ostmoderne“, wie es im Antrag der Stadt auf Unterstützung aus dem Bundesprogramm zur „Förderung von Investitionen in Nationale Projekte des Städtebaus“ hieß, laufen bereits seit Jahren. Wie berichtet, soll die Sanierung mit knapp zwei Millionen Euro vom Bund gefördert werden, die Stadt legt als Gegenfinanzierung eine weitere Million dazu.
Ein letzter Blick in den alten Saal
(Bildergalerie – In einem Jahr steht vom Saalbau des einstigen Restaurants „Charlottenhof“ nur noch ein Metalskelett. Wir haben uns dort ein letztes Mal vor dem Abriss umgesehen. Quelle: Julius Frick)
Als das Stadtteilnetzwerk 2013 erstmals Kontakte zur Schlösserstiftung aufnahm mit der Idee, auf dem Grundstück ein Kunst- und Begegnungshaus zu etablieren, machten Innenaufnahmen der verrotteten Discothek „Charly“ gerade als „Lost Place“ in den sozialen
Netzwerken die Runde: „Hätte das noch länger leer gestanden, würde es wahrscheinlich gar nicht mehr stehen“, sagte Holger Schäfer von der Schlösserstiftung vor drei Jahren zur Taufe des „Lottenhofs“.